Argumentationshilfen
Auch im Jahr 2023 stellt sich für viele Menschen in der Verwaltung und darüber hinaus immer noch die Frage: was soll das eigentlich mit diesen Open Data? Lohnt sich der Aufwand überhaupt, erzeugt das nicht nur Mehrarbeit und Mehrkosten? Genau für diese Fälle sammeln wir gängige Argumente und mögliche Gegenargumente, zunächst aus bereits existierenden Ressourcen.
- Häufige Fragen und Antworten - Bernhard Krabina / Leitfaden Bertelsmann Stiftung
- Warum offene Daten? - Bernhard Krabina / Leitfaden Bertelsmann Stiftung
- Vier Argumente für Open Data - Damian Paderta / Co:llaboratory
Häufige Fragen und Antworten - Bernhard Krabina / Leitfaden Bertelsmann Stiftung
Bernhard Krabina hat sich im Leitfaden für Offene Daten mit Fragen befasst, die sich Menschen in und außerhalb von Behörden stellen, die bisher nur wenig Berührungspunkte mit dem Thema Open Data hatten.
Bedarf es einer gesetzlichen Grundlage für Open Data?
Grundsätzlich nein. Genauso wie eine Kommune selbst entscheidet, welche Informationen sie auf ihrer Website veröffentlicht, kann sie ebenso selbst entscheiden, Daten zu veröffentlichen. Dazu wird kein neuer Rechtsrahmen benötigt. Zusätzlich gilt es zu beachten, dass einige Rechtsbereiche, insbesondere EU-Richtlinien sich ganz klar in Richtung offener Daten weiterentwickeln. Die Neufassung der PSI-Richtlinie heißt nun z. B. Open Data und PSI-Richtlinie (EU) 2019/1024. Sie können daher jederzeit mit offenen Verwaltungsdaten beginnen, auch wenn die Regelungen des Open-Data-Gesetzes (§ 12a EGovG) derzeit nur für Behörden der unmittelbaren Bundesverwaltung gelten.
Widerspricht Open Data nicht dem Datenschutz?
Nein. Personenbezogene Daten sind per Definition kein Gegenstand offener Daten. Es handelt sich in der Regel also um Daten, die keinerlei Personenbezug aufweisen und deren Verarbeitung und Veröffentlichung nicht unter die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) fällt. Allerdings ist dies eine zu kurz greifende Betrachtung, da sehr wohl auch Daten, in denen Personenbezug vorkommt oder hergestellt werden kann, von Nutzen sein können. Daher müssen bei Daten mit Personenbezug Methoden der Anonymisierung oder Synthetisierung angewandt werden, bevor diese veröffentlicht werden können.
Wenn wir die Daten völlig freigeben, verlieren wir dann nicht die Kontrolle?
Ja, aber in vielen Bereichen haben wir die Kontrolle ohnehin bereits verloren! Viele kommunale Daten werden über kommerzielle Anbieter wie Google (Google Maps) oder auch freie Community-Projekte wie Wikidata oder Open- StreetMap gesammelt, häufig weil der öffentliche Sektor zu langsam war, die Daten selbst anzubieten. Wenn Daten für alle frei zur Verfügung stehen, können diese sowohl von kommerziellen als auch nicht kommerziellen Diensten verwendet werden, wobei behördliche Daten die bisherigen Angebote ergänzen.
Sollten wir Daten nicht lieber verkaufen?
Nein. Es ist zwar auch denkbar, einen Basis- Datensatz als offenen und kostenlosen Datensatz anzubieten und einen umfangreicheren gegen Bezahlung, aber es sprechen mehrere Argumente dagegen, dass Kommunen Daten verkaufen sollten. Es kommt zu Einnahmensillusionen (der Aufwand für den Datenverkauf wird unterschätzt) und Kundinnen und Kunden wechseln zu Alternativprodukten
Aber wir haben das doch schon als PDF veröffentlicht, wozu der doppelte Aufwand?
Ein doppelter Aufwand ist nur ein Artefakt des Einstiegs in das Thema. Sobald sich Prozesse etabliert haben, wo Daten aus Fachanwendungen automatisch veröffentlicht werden, wird der Aufwand wieder sinken. Und überlegen Sie einmal, wie viel Aufwand die verschiedenen Abteilungen in die Herstellung von gedruckten Publikationen stecken, wie etwa ein statistisches Jahrbuch der Stadt, wo der Nutzen „nur“ in der Information der interessierten Öffentlichkeit besteht – ohne den Zusatznutzen der Wiederverwendbarkeit.
Sehen Sie doch das Anbieten offener Daten als eine Form der Barrierefreiheit: Daten sind auf Websites und in PDF-Dokumenten „eingesperrt“ und werden durch die Öffnung barrierefrei angeboten.
Wir haben doch gar keine (relevanten) Daten?
Doch. Ein Blick in den Musterdatenkatalog hilft, einen raschen Überblick über Daten zu erhalten, die auch in Ihrer Kommune vorhan- den sein könnten. Es gibt unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten. Nicht immer führen Datenveröffentlichungen zu bahnbrechenden neuen Anwendungen. Aber die Information der Öffentlichkeit ist ja stets auch eine relevante und wichtige Aufgabe von Behörden. Häufig fehlt es auch an einer Nachfrageorientierung: Welche kommunalen Daten stoßen auch wirklich auf Interesse und Nachfrage? Dabei helfen Hackathons und andere Veranstaltungen zur Einbeziehung verschiedener Stakeholder.
Nur Daten rauszustellen, bringt doch nichts. Wie kommen wir zu Apps?
Dazu ist es ratsam, einen kontinuierlichen Austausch mit allen Stakeholdern zu pflegen. Je früher Sie auf andere hören, welche Daten diese für relevant halten, desto rascher werden Ihre Daten auch genutzt werden.
Muss unsere Kommune ein eigenes Datenportal betreiben?
Nicht unbedingt. (Siehe Open Data Portale)
Wir haben gar kein Recht an diesen Daten!
Versuchen Sie, fehlende Rechte zu klären. Häufig wird vergessen, solche Fragen schon im Vorfeld auszuräumen. Denken Sie daher bei der nächsten Ausschreibung eines Projekts (z. B. Studie, Publikation oder Website) oder einer Softwarelösung daran, dass offene Daten zur Verfügung gestellt werden sollen. Das spart Ihnen Arbeit und dient gleichzeitig zur Klärung des rechtlichen Aspekts.
Aus: "Ein Leitfaden für Offene Daten", 2020, von Bernhard Krabina herausgegeben von der Bertelsmann Stiftung, Seite 21-22.
Warum offene Daten? - Bernhard Krabina / Leitfaden Bertelsmann Stiftung
Bernhard Krabina hat im Leitfaden für Offene Daten thematisch sortiert Argumente gesammelt, die erste Ansatzpunkte für die Antwort auf die Frage liefern, warum es sich lohnt Daten zu öffnen.
Organisatorische Argumente
- Freigegebene Daten werden auch innerhalb der Verwaltung genutzt.
- Der intensive Diskurs über Daten mit den Nutzerinnen und Nutzern wird von vielen Bediensteten der öffentlichen Verwaltung als bereichernd erkannt.
- Die Tatsache, dass ein Datensatz veröffentlicht werden soll, führt oft zu einer Erhöhung der Datenqualität, da Metadatenbeschreibungen erstellt werden müssen (um z. B. die Struktur einer CSV-Datei zu erklären) oder Fehler in veröffentlichten Daten gemeldet werden.
- Behörden, die ihre Daten auf Open-Data-Portalen veröffentlichen, verzeichnen signifikant weniger Anfragen und Anträge auf den Zugang zu öffentlichen Akten als Behörden, die ihre Daten nicht veröffentlichen. Somit können Behörden, die regelmäßig Daten veröffentlichen, Zeit einsparen.
Gesellschaftliche Argumente
- Die Erstellung der Daten wurde bereits mit Steuergeld finanziert und daher sollten Daten der Öffentlichkeit ohne Einschränkungen zur Verfügung stehen.
- Auch aus der Betrachtungsweise der klassischen Daseinsvorsorge (öffentliche Dienstleistungen, die eine Grundversorgung darstellen) kann man im Zuge der Digitalisierung für Aufgaben im Sinne einer digitalen Daseinsvorsorge plädieren. Dazu zählen neben der Bereitstellung einer digitalen Basisinfrastruktur (Breitband-Internet, WLAN-Hotspots, EDV-Ausstattung) und der Ermöglichung neuer Services (Public-Space-Server, Labs) eben auch offene Daten.
- Aktuelle Entwicklungen, wie Open Business Data, Data Science und Data Journalism, Big Data und Data Analytics, Smart Cities und Smart Government oder Künstliche Intelligenz, profitieren von einer steigenden Anzahl an frei verfügbaren Daten aus dem öffentlichen Sektor.
Politische Argumente
- Zu politischen Argumenten zählt insbesondere, dass Datentransparenz eine wichtige Grundlage für Partizipation darstellt. Doch nicht „nur“ die Einbeziehung von Bürgerinnen und Bürgern braucht offene Daten, auch evidenzbasierte Politikgestaltung tritt in Zeiten von Big Data wieder verstärkt auf die Agenda.
- Eine politische Frage ist insbesondere auch, welche Daten veröffentlicht werden sollten, die bisher noch gar nicht zugänglich waren
Rechtliche Argumente
- Zentrales rechtliches Argument ist die Rechtssicherheit, die durch die Gewährung offener Lizenzen geschaffen wird.
- Zahlreiche rechtliche Rahmenbedingungen (EU-Richtlinien und nationale Gesetze) haben in den letzten Jahren die Argumentation für eine proaktive Veröffentlichung offener Verwaltungsdaten verstärkt. Dazu zählen unter anderem das Open-Data-Gesetz (§ 12a (1) EGovG32), das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG Bund), das Informationsweiterverwendungsgesetz des Bundes (IWG Bund), das Umweltinformationsgesetz (UIG), das Statistikgesetz (StatG), das Geodatenzugangsgesetz (GeoZG), aber auch die Richtlinie 2003/4/EG über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und die Richtlinie 2007/2/EG zur Schaffung einer Geodateninfrastruktur in der Europäischen Gemeinschaft (INSPIRE).
- Auch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) spielt eine Rolle, die den besonderen Schutz personenbezogener Daten fordert. Personenbezogene Daten sind zwar per Definition kein Gegenstand offener Daten, allerdings ist dies eine zu kurz greifende Betrachtung, da sehr wohl auch Daten, in denen Personenbezug vorkommt oder hergestellt werden kann, von Nutzen sein können.
Technische Argumente
- Daten sollten nicht in Dokumenten „eingesperrt“ werden. Maschinenlesbare Daten erleichtern die – sowohl externe als auch interne – Nutzung. Man kann auch von einem „barrierefreien Zugang“ zu Daten sprechen.
- Moderne und zeitgemäße Formate wie JSON und RDF erleichtern die Wiederverwendbarkeit.
- Standardisierte Metadaten erlauben es, Beschreibungen von Datensätzen zwischen Datenportalen auszutauschen („harvesting“). So werden Metadaten, die auf Open. NRW verzeichnet werden, automatisch zu GovData und von dort zum Europäischen Daten portal weitergereicht.
- APIs ermöglichen die zeitnahe Nutzung von Daten (Echtzeitdaten).
Wirtschaftliche Argumente
- Die PSI-Richtlinie ist entstanden, da in Europa als wirtschaftlich nachteilig erkannt wird, wenn Daten des öffentlichen Sektors nicht zugänglich sind. Die Open-Data-Studie der Konrad-Adenauer-Stiftung hat sich mit dem volkswirtschaftlichen Mehrwert für Deutschland beschäftigt.
- Offene Daten sollen insbesondere auch die lokale Wirtschaft beleben, da zahlreiche Apps und Anwendungen entstehen, die nicht von den Kommunen finanziert werden müssen. Sie sollen zur Entstehung neuer Ideen und Geschäftsmodelle beitragen.
- Häufig kommt es in den Kommunen zu „Einnahmensillusionen“, z. B. dann, wenn der Blick nur auf die Einnahmen von Datenverkäufen gerichtet wird, ohne die gesamten Kosten gegenüberzustellen, die für Vermarktung, Verkauf, Verrechnung etc. der Daten anfallen würden.
Aus: "Ein Leitfaden für Offene Daten", 2020, von Bernhard Krabina herausgegeben von der Bertelsmann Stiftung, Seite 18-20.
Vier Argumente für Open Data - Damian Paderta / Co:llaboratory
Digitalberater und Webgeograph Damian Paderta hat auf openall.info vier zentrale Argumente zusammengefasst:
Das formale Argument
Im Auftrag des Staates erhobene Daten sind aus Steuergeldern finanziert, ergo gehören sie dem Steuerzahler und damit den Bürgern. Das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) sieht vor, dass jede Person einen Rechtsanspruch auf den Zugang zu behördlichen Daten, ohne Begründung des Interesses, haben und ihr der entsprechende Zugang gewährleistet werden muss.
Das demokratische Argument
Ein offener Zugang zu Regierungs- und öffentlichen Verwaltungsdaten bildet die Voraussetzung für eine pluralistische Meinungsbildung der Bürger. Auf Basis dieser Informationen können Bürger an politischen Prozessen partizipieren und qualifizierte Entscheidungen treffen. Die politische Willensbildung läuft in einer offenen Demokratie „von unten nach oben“ ab und basiert auf einer Öffentlichkeit, die dementsprechend den Zugang zu Informationen hat. Die Transparenz und Nachvollziehbarkeit von Regierungs- und öffentlichem Verwaltungshandeln wird vergrößert. Dies kann zu Pflichtbewusstsein und Rechenschaft seitens der Amtsträger und der öffentlichen Verwaltung, aber auch zu einem Zuwachs an Vertrauen und Akzeptanz der Bürger zur Demokratie führen.
Das ökonomische Argument
Der Zugriff auf Daten des öffentlichen Sektors erlaubt es, schneller und effizienter auf Probleme jeglicher Art zu reagieren, und erleichtert deren Adressierbarkeit. Aufgaben können auf der politischen Ebene sowie innerbehördlich besser gelöst werden. Dies kann u.a. zur Verhinderung von doppelter Datenerhebung und zur Qualitätssicherung beitragen.
Das Innovationsargument
Die vom Staat bereitgestellten Daten werden Innovationspotenzial anregen, das momentan nicht abschätzbar ist. Sicher ist aber, dass im Fall einer Öffnung von Datenbeständen nach Open Data-Prinzipien, neue Wertschöpfungsketten und Dienstleistungen entstehen und innovative Impulse für die Wirtschaft setzen werden.
Aus: "Vier Argumente für Open Data", Stand Juni 2023, Damian Paderta.