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Christian Nähle, Geschäftsführer von Do-FOSS, der Initiative für den Einsatz Freier und Open-Source-Software bei der Stadt Dortmund

...über die Dortmunder Initiative

Do-FOSS ist die Dortmunder Initiative für Freie und Open-Source-Software (FOSS). Wir sind Teil der digitalen Zivilgesellschaft und arbeiten strukturiert seit Ende 2011 für eine politische Vorzugswahrnehmung von FOSS. Neben dem Transparenzaspekt von Open Source für das Verstehen einer Software ist es uns ein Anliegen, frei mit einer Software umgehen zu dürfen, im Sinne von verwenden, verbessern und verbreiten. Auf Englisch ist Do-FOSS ein Imperativ. „Do FOSS! Mach’ Freie Software!“, das ist unser Antrieb.

Ganz am Anfang unseres Engagements haben wir uns gefragt, wer die Ansprechpersonen für FOSS innerhalb der Dortmunder Verwaltung sein könnten und wir haben sie mit konkreten Beispielen aus ihrem Arbeitskontext konfrontiert. Beispielsweise haben wir mit dem behördlichen Datenschutzbeauftragten das Thema der Softwarebeschaffung unter Datenschutzaspekten erörtert. Als Ergebnis unserer Treffen haben wir eine schriftliche Stellungnahme bekommen. In dieser wurden vom Datenschutzbeauftragten die Defizite von proprietärer Software aus Sicht der Datenschutzbeurteilung herausgestellt und die Vorzüge von Open Source hervorgehoben. Wer mit Verwaltungen arbeitet, weiß: von der richtigen Stelle unterschrieben, kann ein solches Papier in Verhandlungen eine harte Währung sein.

Über die Jahre haben wir so an verschiedenen thematischen Aspekten zu FOSS gearbeitet und sind über die Diskussionen zu Digitaler Souveränität auch in Kontakt mit der KGSt (Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement) gekommen, dem kommunalen Fachverband. Gemeinsam mit der KGSt setzen wir uns bei Top-Entscheider:innen der Kommunen quer durch den deutschsprachigen Raum für FOSS ein. Beispielsweise haben wir mit an einem Grundlagenbericht über Open Source in Kommunen mitgeschrieben – und uns auch erfolgreich dafür eingesetzt, dass dieser unter einer Creative-Commons-Lizenz erscheint. Diesen Sommer erscheint als weiterer Bericht der KGSt die „Open-Source-Governance“. Das Ziel ist die kommunale FOSS-Praxis strukturiert gestalten und steuern können.

...der Stand von FOSS in Dortmund

Die längste Zeit haben wir uns dafür eingesetzt, dass mehr FOSS von der Stadtverwaltung beschafft werden soll. Jetzt hat sich die Diskussion gedreht: Die Ämter wollen mehr auf FOSS setzen und wir müssen uns mit der Frage beschäftigen, wer diese bereitstellt. Mit der Technischen Universität Dortmund und ihrer bundesweit herausragenden Fakultät für Informatik, ihrer renommierten Fachhochschule mit einem der größten und am breitesten aufgestellten Informatikfachbereiche in NRW und Forschungsinstituten wie dem Lamarr-Institut für Maschinelles Lernen und Künstliche Intelligenz und dem Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik (Stichwort: Internet der Dinge), repräsentiert die Stadt Dortmund einen Nukleus für die Schaffung innovativer Informationstechnologie in Deutschland. Die Stadtverwaltung selbst bekennt sich mit ihrer Verpflichtung zu „public money, public code“ dazu, städtische Software der Open-Source-Community zur freien Verfügung zu stellen und damit auch den Dortmunder Wirtschaftsakteur:innen. Als Do-FOSS nehmen wir gerade verschiedene Dialogfäden auf, um an einer Wirtschaftsförderungsstrategie speziell für FOSS mitzuarbeiten.

...die Big 3 Kommunen für FOSS und deren Zusammenarbeit

Bei der Berichtsarbeit für die KGSt hat sich herausgestellt, dass es in München, Berlin und Dortmund auf unterschiedliche Arten progressive Ansätze für FOSS gibt – so wie in einigen anderen Städten übrigens auch. Die Stadt München hat eine über 20 Jahre gewachsene Open-Source-Historie, die damals top-down von einem Oberbürgermeister eingeführt wurde und sich über die Zeit zwar verändert, aber in gewisser Form auch erhalten hat. In Berlin gibt es schon länger politische Bestrebungen rund um FOSS, die mit dem Open Source Kompetenzzentrum institutionalisiert worden sind. Bei uns in Dortmund ist das Thema von unten in die Verwaltungsstruktur reingewachsen und erfährt dadurch eine breite fachliche Akzeptanz. Organisiert wird die Verwaltungsarbeit von der neu eingerichteten Koordinierungsstelle Digitale Souveränität und Open Source.

Im Rahmen der KGSt-Arbeit ist ein informelles Austauschformat zwischen Akteur:innen der drei Städte entstanden, wo konkrete Fragestellungen erörtert werden sollen. Grundsätzlich geht es darum, welches höherwertige Organisationsmodell wir eigentlich zur Kooperation im öffentlichen Dienst brauchen. Eine verstärkte interkommunale Zusammenarbeit und damit einhergehende Synergien durch FOSS liegen dabei auf der Hand. Ein praktisches Beispiel wäre eine Kooperation zwischen Dortmund und Berlin. Nehmen wir an, dass dort die Sozialverwaltungssoftware betreut wird und in Dortmund eine Software, die im Ordnungsrechtsbereich gebraucht wird. Die Städte könnten dies auf einer Plattform wie Open CoDE nachvollziehen und statt jeweils Software neu zu entwickeln, kommt man zu einer Arbeitsteilung.

Die Big 3 können in diesem Kontext als Zugpferde vorangehen, um so eine entsprechende interkommunale Gemeinschaftsstruktur zu schaffen. Man spricht bei den Big 3 auch gerne von den „Big X“, weil die interkommunale FOSS-Gemeinschaft eben nicht auf diese drei Städte beschränkt sein soll. Aber es muss immer irgendwo erst einmal angefangen werden. Insofern liefern Berlin, München und Dortmund hier einen tollen gemeinsamen Auftaktimpuls.

...was es beim Voranbringen von FOSS im kommunalen Kontext zu beachten gilt

Ich bin selber in der öffentlichen Verwaltung erwerblich tätig und mir ist früh bewusst geworden, dass dort Menschen sind, die unter bestimmten und nicht immer geliebten Rahmenbedingungen arbeiten. Es bringt nichts, mit der Faust in der Tasche vorbeizugehen und nur zu meckern.

Es ist wichtig, das Thema FOSS in das Vokabular der jeweiligen Zielgruppe zu übersetzen und nicht zu sehr auf dem rein Technischen herumzureiten. Im gewerkschaftlichen Kontext haben wir zum Beispiel von der „Mitbestimmung an den Produktionsmitteln der Digitalisierung“ gesprochen, in der Verwaltung die technische Notwendigkeit einer Modernisierung betont und politisch haben wir die Herstellerunabhängigkeit stärker in den Fokus gerückt.

Zudem ist es sinnvoll, die Herausforderungen der praktischen Ebene zu sehen: Wie müssen eigentlich Ausschreibungsrichtlinien gestaltet sein? Welche Schulungen sollte das Personal erhalten? Wie schaffe ich eine Awareness für FOSS, damit sich die Leute auch auf einen Wandel an manchen Stellen einlassen? Welche interkommunalen Governance-Strukturen muss oder sollte ich einbinden?

...Entwicklung und Kulturwandel fördern

Der Knackpunkt ist die Frage, wie man es schaffen kann, Digitale Souveränität und FOSS für alle erreichbar zu machen. Wir müssen an einem höherwertigen Organisationsmodell ansetzen, indem wir an einigen Standorten so vorangehen, dass diese Fortschritte auch für andere nutzbar werden. In der Folge wird es nicht ohne einen Kulturwandel in unseren Kommunen gehen. Gerade Kommunalverwaltungen stecken noch im örtlichen Kirchturmdenken fest: Ich habe hier meinen individuellen Prozess in meiner speziellen Kommune und er muss genauso und darf nicht anders sein. Aber der Punkt wird kommen, an dem man feststellt, man hat gar nicht mehr die Ressourcen, um diesen Kirchturm für sich individuell genauso zu gestalten. Dann muss man sich zwangsläufig übergeordneten Organisationsstrukturen widmen. Das ist etwas schönes bei FOSS: wenn sich jemand noch den auf sich spezialisiert angepassten Prozess leisten möchte, kann er das auch. Wir schließen niemanden aus, aber ich glaube, es sollte erst einmal darum gehen, die Grundfunktionalitäten für den täglichen Betrieb unseres Gemeinwesen sicherzustellen. Hier haben wir Aufholbedarf.

...aktuelle Chancen und Herausforderungen für FOSS

Ich denke die aktuelle Situation im E-Government verlangt nach offenen Standards, um eine Durchgängigkeit des Datenflusses zu gewährleisten – Medienbrüche in Form von ausgedruckten Vorgängen, damit jemand anderes sie wieder eintippt, können wir uns nicht länger leisten. Es gibt bereits einen einheitlichen Rechtsrahmen für E-Government, aber noch keine ausreichend gestaltbaren Schnittstellen in Form von offenen Standards. Unserer Meinung nach hat der Staat eine Gewährleistungsverantwortung für offene Standards. Ich stelle mir das so ähnlich vor wie mit DIN-A4-Papier. Wenn ich die DIN-Normen von dem Papier kenne, dann kann ich danach auch einen Aktenordner oder Drucker herstellen, weil ich genau weiß wie die Maße sind. In vielen anderen Bereichen gibt der Staat bereits zwingende Standards vor, etwa bei der Telefonie, warum also nicht auch bei den eigenen Digitalprozessen.

Die Verteilungskämpfe um staatliche Mittel werden größer – die Streichlisten von Förderprogrammen machen natürlich auch vor FOSS-Initiativen nicht halt. Dabei geht es auch um die Frage, wie wir eine dauerhafte Finanzierung von FOSS gewährleisten können, um nicht grundlegende staatliche Funktionen ins Ehrenamt zu verlagern, also nach dem Motto „das programmiert schon irgendjemand“. Auf diese Herausforderung könnte man mit einer Stiftung reagieren, die im Sinne des öffentlichen Dienstes FOSS-Projekte fördert, finanziell auf eigenständige Beine stellt und dabei auch die Bedürfnisse der Communities berücksichtigt, wo viele Softwareinitiativen herkommen, also entsprechende Autonomie belässt und den Zugang zu Fördermitteln nicht überreglementiert.

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Christian Nähle ist als Verwaltungsfachwirt im Umweltamt für den Klimaschutz bei der Stadt Dortmund beschäftigt und engagiert sich als Geschäftsführer bei Do-FOSS, der Initiative für den Einsatz Freier und Open-Source-Software bei der Stadt Dortmund. Mehr Materialien, wie z.B. Argumentationsmuster, finden sich auf der Homepage der Initiative.

https://do-foss.de | kontakt@do-foss.de